Temporäre Verbesserung der Luftschalldämmung von Fenstern durch außenliegende Abschlüsse zur Einhaltung der Luftschalldämmung in Nachtzeiten

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In DIN 4109-2:2018-01 wird eine erhöhte nächtliche Störwirkung durch Außengeräusche durch einen Zuschlag in diesem Zeitraum von 10 dB auf den Beurteilungspegel berücksichtigt. Der maßgebliche Außenlärmpegel ergibt sich dann aus dem Zeitraum mit dem höheren resultierendem Bemessungspegel. Die Praxis zeigt, dass der Nachtzeitraum für die Auslegung der Schalldämmung in vielen Lärmsituationen, z. B. Bahnstecken mit nächtlichem Güterverkehr, maßgeblich werden kann. Um eine weitere Baukostensteigerung durch Überdimensionierung zu vermeiden wird im Rahmen des Forschungsprojektes untersucht, inwiefern außenliegende Abschlüsse zur Einhaltung der Luftschalldämmung in Nachtzeiten beitragen können und wie diese in einer einfachen Weise in der Prognose berücksichtigt werden können. Neben der Analyse von Messungen aus vorhandenen Datenbanken werden weitere Bauteilmessungen mit unterschiedlichen außenliegenden Abschlüssen gemessen. Für eine Prognose wird ein semi-empirisches Prognosemodell und ein Finite-Elemente-Modell entwickelt und mit den Messungen validiert. Die Ergebnisse werden den Normungsgremien zur Verfügung gestellt.

Hintergrund des Projekts

Die baurechtlichen Anforderungen an die Luftschalldämmung von Außenbauteilen sind in DIN 4109-1:2018-01 definiert. Die Anforderung richtet sich nach dem Grad der Schutzbedürftigkeit und nach dem Außenlärmpegel. In der aktuellen Fassung der DIN 4109-2:2018-01 wurde eine explizite Berücksichtigung des Außenlärmpegels in der Nacht eingeführt. Ist der Außenlärmpegel in der Nacht um nicht mehr als 10 dB niedriger als am Tag, erfolgt die Auslegung des Schallschutzes über den maßgeblichen Außenlärmpegel in der Nacht plus eines Zuschlags von 10 dB zur Berücksichtigung der erhöhten nächtlichen Störwirkung (größeres Schutzbedürfnis in der Nacht). Es hat sich gezeigt, dass es mittlerweile viele Lärmsituationen gibt, insbesondere an Bahnstrecken mit nächtlichem Güterverkehr, bei denen dies nicht der Fall ist. Dies führt bei der Umsetzung der erforderlichen Schalldämmung zu teilweise deutlich erhöhten Schalldämmwerten von Fenstern, welche dann zu teuren mehrschaligen Konstruktionen, wie Verbund- oder Kastenfenstern, führen. 

Eine einfache Möglichkeit zur Lösung des Problems würde ein temporärer Schallschutz darstellen, der in Form von außenliegenden Abschlüssen, wie Rollläden oder Fensterläden, in den lauten Nachtstunden zugeschaltet werden kann. Mit der „Tag/Nacht Teilung“ hinsichtlich der Ermittlung der Anforderungen an den Schallschutz eröffnet sich somit auch erstmals der grundlegende Ansatz hinsichtlich der bauakustischen Anforderungen an Außenbauteile, zwischen Tag und Nacht zu unterscheiden. Allerdings ist die Berücksichtigung eines solchen temporären Schallschutzes in DIN 4109 aktuell nicht geregelt und daher nicht zulässig.

Auch wenn das geplante Projekt primär durch die nationalen baurechtlichen Anforderungen nach DIN 4109 motiviert ist, können und sollen die Erkenntnisse an weitere Regelsetzer weitergeleitet und in den entsprechenden Regelwerken berücksichtigt werden.

Projektziel

Die Hauptziele des Vorhabens lassen sich wie folgt definieren:

  1. Erarbeitung eines Nachweisverfahrens zur Berücksichtigung eines temporären Schallschutzes in DIN 4109-2
  2. Erarbeitung eines Bauteilkataloges zum Nachweis der Verbesserung der Luftschalldämmung eines Fensters durch Einsatz eines äußeren Abschlusses. Der Bauteilkatalog berücksichtigt hierbei die wesentlichen konstruktiven Parameter.
  3. Erarbeitung eines, mit dem Normungsausschuss NA005-55-75 AA abgestimmten, Normentwurfs zur Ergänzung der DIN 4109-35

Projektablauf

Die Projektziele sollen im Wesentlichen durch experimentelle und numerische Untersuchungen der Luftschalldämmung von Fenstern in Verbindung mit außenliegenden Abschlüssen erreicht werden. Die Messungen erfolgen hierbei nach DIN EN ISO 10140-1:2021-09 am ift Rosenheim. Um die Verbesserung des Luftschalldämm-Maßes vertieft zu verstehen, soll die vibroakustische Kopplung des Fensters mit dem äußeren Abschluss durch eine entsprechende Messinstrumentierung des Zwischenraums mit Mikrofonen und Körperschallaufnehmern messtechnisch untersucht werden. Diese Messungen dienen dann als Validierung für Finite-Elemente-Modelle, welche die Anregung der Bauteile sowie die Kopplung des Scheibenzwischenraums durch Einbezug der Fluid-Struktur-Kopplung modellieren. Die Modellierung ist Aufgabe der Technischen Hochschule Rosenheim.

Durch Variation der für die Verbesserung der Luftschalldämmung signifikanten Parameter kann ein Bauteilkatalog definiert und vorgeschlagen werden. 

Zur Beurteilung der Luftdichtheit der vermessenen Abschlüsse werden experimentelle Untersuchungen nach DIN EN 1026:2016-09 am ift Rosenheim durchgeführt. 

Vor den experimentellen Untersuchungen zur Luftschalldämmung erfolgt eine statistische Analyse der ift Mess-Datenbank, in der auch Messungen der Luftschalldämmung von Fenstern mit außenliegenden Abschlüssen enthalten sind. Es ist jedoch zu erwarten, dass die vorhandenen Messungen nur Konstruktionen mit einem eher geringen Abstand zwischen Abschluss und Fenster enthalten.

Die Hochschule für Technik in Stuttgart entwickelt anhand der frequenzabhängigen Schalldämm-Maße der Fenster mit unterschiedlichen Abschlüssen ein semi-empirisches Berechnungsmodell weiter. Damit soll der Einzahlwert der resultierenden bewerteten Schalldämmung der Gesamtkonstruktion ermittelt werden können. Es wird angestrebt, die wesentlichen Ergebnisse als Normungsvorschlag für die DIN 4109-2 und Teil 35 heraus zu arbeiten.

Innovation

Durch Abschlüsse wie Rollläden, Klappläden und Schiebeläden lässt sich in geschlossenem Zustand eine Verbesserung der Luftschalldämmung des Fensters bewirken. Für spezielle Lärmbelastungen in der Nacht könnte somit eine erhöhte Luftschalldämmung umgesetzt werden. Hiermit könnte auf hochschalldämmende und kostenintensive Fensterkonstruktionen verzichtet werden. Somit kann dem aktuellen politischen Ziel der Vermeidung der Steigerung der Baukosten Rechnung getragen werden. 

Allerdings ist die Berücksichtigung eines solchen temporären Schallschutzes in DIN 4109 noch nicht geregelt bzw. zulässig. Des Weiteren fehlen allgemeingültige Daten sowohl für die Planer als auch für die ausführenden Unternehmen, welche Verbesserungen der Luftschalldämmung sich in Verbindung mit welchen Ausführungsvarianten von außenliegenden Abschlüssen erzielen lassen. Durch die Erarbeitung eines Bauteilkataloges bekommen somit die Planer und die ausführenden Unternehmen die entsprechenden notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt. 

Durch die mögliche Integration des erarbeiteten Bauteilkataloges in EN 14351-1 wird für solche Produkte auch eine CE-Kennzeichnung ohne zusätzliche Prüfung möglich.


Projektleitung


Projektmitarbeiter und Mitarbeiterinnen


Projektmitwirkung extern


Susanne Dörnbrack
Forschungszentrum Jülich

Projektdauer

01.01.2025 - 31.12.2026

Projektpartner

Finstral AG
Hochschule für Technik Stuttgart
Industrievereinigung Rollladen-Sonnenschutz-Automation e.V.
Bundesverband Rollladen + Sonnenschutz e. V.
VEKA AG
Hans Timm Fensterbau GmbH & Co. KG
Verband Fenster + Fassade
profine GmbH
ift Rosenheim GmbH*

Projektträger

Forschungszentrum Jülich

Projektförderung

Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz

Förderprogramm

WIPANO

Adressierte SDGs (Sustainable Development Goals)

Weblinks

roteg - Rosenheimer Technologiezentrum für Energie und Gebäude